Film:Til Schweigers “Kokowääh”

Stuttgart – In jedem Film des Regisseurs Til Schweiger gibt es zuverlässig eine sehr gelungene Szene, die für unzählige nicht oder nur halb gelungene Szenen entschädigt. In “Keinohrhasen” war dies jener Moment, in dem Jürgen Vogel seinen operativ runderneuerten Body herzeigte. Und in “Kokowääh” spielt der großartige Misel Maticevic (“Im Angesicht des Verbrechens”) einen erfolgreichen Arthaus-Filmemacher, der Helmut Dietl nachgezeichnet ist. Mit großer Geste schwärmt dieser überaus eitle Mensch davon, dass seine Filme Millionen Zuschauer gehabt hätten, worauf Til Schweiger trocken antwortet, diese Zahl schaffe “Bully” Herbig mit zwei Filmen. Worauf der Regisseur keck antwortet, Herbig mache pure Unterhaltung, er aber mache Filme mit Anspruch, da zähle jeder Zuschauer doppelt. —

Das ist lustig über Bande gespielt, weil es ja Schweiger selbst ist, der mit seinen Filmen mal sechs (“Keinohrhasen”), mal viereinhalb (“Zweiohrküken”) Millionen Zuschauer ins Kino lockt, gerade, weil er keine Kunst, sondern flotte Unterhaltung macht. Und den Kritikern, die seine Filme klischeehaft bis trivial finden, eine Nase dreht. Gemeinsam mit seinem Publikum.

Drehbuchpapier ist geduldig

Im neuen Film – Schweiger fungiert erneut als Regisseur, Koautor, Produzent und Hauptdarsteller – wird der wenig erfolgreiche Drehbuchautor und Hallodri Henry (Schweiger) unvermittelt Vater einer achtjährigen Tochter Magdalena (gespielt von Schweigers leiblicher Tochter Emma). Die ist das Resultat eines einmaligen Ausrutschers mit der einst besten Freundin Charlotte. Dass Henry Vater ist, hat Charlotte weder ihm noch ihrem Partner Tristan verraten. Als es herauskommt, setzt Tristan Charlotte, auf die in den USA ein dubioser Prozess wartet, vor die Tür. Drum schickt Charlotte das Kind zu seinem Erzeuger.

Drehbuchpapier ist geduldig. Weshalb es auch nicht weiter überrascht, dass Henry just zu diesem Zeitpunkt den Auftrag bekommt, das Drehbuch für die Verfilmung des Bestsellers seiner Ex Katharina zu schreiben. Die sich seinerzeit ein Kind von Henry wünschte. Ein enervierend aufgekratztes Kuckuckskind, ein Neu-Vater, der keine Kinder leiden kann, ein Ex-Vater, der ohne die Tochter nicht mag – und eine gescheiterte Beziehung, die problemlos aufgewärmt wird. Und so weiter, alles wie gehabt. Das schludrige Drehbuch mutet dem Zuschauer Oberflächlichstes zu; die Darstellerleistungen schwanken zwischen charmant (Samuel Finzi), auf die Dauer anstrengend (Emma Schweiger) bis bodenlos (Jasmin Gerat und Schweiger selbst). Damit man dem Film seine Mühsamkeit nicht anmerkt, hat man Teile des tief sentimentalen Werks (Vater sein ist schwer!) gleich als Videoclip montiert und ohne Rücksicht auf Inhalt und Atmosphäre aktuelle Popsongs von Hurts oder One Republik unter die Bilder gelegt. Dudelfunk im Kinosaal!

Kokwääh. Deutschland 2010. Regie: Til Schweiger. Mit Emma Schweiger, Til Schweiger, Samuel Finzi. Ab 6 Jahren. Cinemaxx SI-Centrum und Bosch-Areal, Ufa, Metropol

Quelle: Stuttgarter – Zeitung

Mein persönliches Fazit: Netter, lustiger Familienfilm, aber alles andere als glaubwürdig.

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