Väter geben Töchtern mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein
Zu keinem Zeitpunkt in der (deutschen) Geschichte haben sich so viele Väter so intensiv und liebevoll um ihre Töchter gekümmert wie heute. Den Mädchen die gleichen Zukunftschancen zu eröffnen wie ihren Brüdern und sie nach Kräften zu fördern, war noch vor fünfzig, ja selbst vor dreißig Jahren alles andere als selbstverständlich. Eine Erklärung für den Bewusstseinswandel mag sein, dass der Trend zu einem, maximal zwei Kindern geht, auf die sich dann alle elterlichen Bemühungen konzentrieren – ganz gleich welchen Geschlechts die Kinder sind.
Ein weiterer Grund für die neue Stellung der Töchter ist ihre “universelle Einsetzbarkeit”, was vielleicht bereits Ausdruck eines gewandelten Geschlechterbildes ist: Man kann mit ihnen shoppen und genauso gut Fußball spielen, spazieren gehen und in Felswänden klettern, mit Puppen und mit Autos spielen. Ideale Spaßpartner – sofern die Pubertät noch nicht eingesetzt hat. In dieser speziellen Entwicklungsphase ändert sich allerdings vieles. Denn zu den typischen hormonellen Wirrungen kommen heute, im Zeitalter der Emanzipation, auch noch soziophilosophische Fragen, mit denen sich die Mädchen herumquälen: Wie definiere ich meine Weiblichkeit? Wie viel Geld will ich verdienen? Mache ich mir etwas aus Kindern? Wie soll der Mann dazu aussehen? Brauche ich überhaupt einen Mann? Soll heißen: Die neue Stellung der Frau hat das Geschlechterleben nicht eben leichter gemacht; die Single-Statistiken der Großstädte sprechen Bände. Es scheint, als täten sich junge Frauen und junge Männer zunehmend sehr viel schwerer miteinander.
Werden diese Fragen anders beantwortet, wenn Väter künftig stärker ihre Töchter prägen? Wären sie, die Vätertöchterchen (was leider nicht so gut klingt wie Muttersöhnchen), später verständnisvollere Ehefrauen, weil ihr Männerbild ein positiveres wäre (immer vorausgesetzt freilich, dass der Vater ein Superdaddy war)? Würden Vätertöchterchen den biologischen Determinismus durchbrechen, wonach Frauen angeblich weiche Männer schätzen, aber mit Machos ins Bett gehen – schon allein deshalb, weil sie dank Papas Vorbild Hausmänner nicht mit Weicheiern gleichsetzen? Würden sie sich eher für Nachwuchs entscheiden, weil sie es ja selber erlebt haben, dass sich Haushalt und Kinder gerecht auf alle Schultern verteilen lassen?
Die Trendsetter in der Modebranche jedenfalls haben schon mal für 2009 den weichen, feminineren Mann ausgerufen. Der in die Mutterrolle gefallene Alphamann trägt jetzt Freizeitmode, weil er auf einmal viel Freizeit hat, und zwar ganztags: Dolce & Gabbana empfehlen dafür eine Art Ganzkörper-Steppjacke, die Füße ruhen in Samtslippern, die sich für den informellen Gang zwischen Sofa und Supermarkt überstreifen lassen. Der neue Mann kommt also locker und lässig daher, lebt eine andere Form der Männlichkeit. Die Wortverbindung Mann und (samt)weich ist eben nicht mehr negativ besetzt – immerhin ein Fortschritt. Männer, die ihre Vaterrolle ernst nehmen, sollten sensibel und verständnisvoll sein. Auftrumpfender Karrierismus und Imponiergehabe wie das Fahren flotter Autos und Fitness genügen eben nicht. Verwegenheit muss sich mit emotionaler Intelligenz paaren, um auf Töchter tieferen Eindruck zu machen.
Noch gibt es wenige Vorbilder auf diesem Feld. Doch ganz langsam steigt auch mit der Einführung des Elterngeldes die Zahl der Männer, die sich zu Hause um das Kind kümmern. Derzeit sind es 20 Prozent, doch nach einer Allensbach-Umfrage wünschen sich 73 Prozent der 15- bis 42-jährigen Männer eine Ausweitung der Vätermonate.
Das Interesse aufseiten der Männer wächst also, dennoch hat die Psychoanalyse die Vater-Tochter-Beziehung lange Zeit geradezu ignoriert. Die alten Freudianer konzentrierten sich ganz auf den “Schwarzen Kontinent Frau”. Und unter den jüngeren Psychoanalytikern ist nur die Französin Christiane Olivier zu nennen. In ihren über Frankreich hinaus bekannt gewordenen Büchern beschäftigt sie sich eingehend mit dem Phänomen der vaterlosen Gesellschaft von der Antike bis heute und gibt ein dringliches “Plädoyer für Väter” ab. Vaterschaft, so die Autorin, sei wie die Mutterschaft eine primäre Voraussetzung für das körperliche wie seelische Wachstum des Kindes.
In Deutschland hat sich besonders die Hamburger Paartherapeutin Angelika Faas mit der Vater-Tochter-Beziehung beschäftigt. Sie meint, dass es der Vater sei, der ganz entscheidend die Zukunft seiner Tochter beeinflusst. Von ihm lerne sie, sich in der Männerwelt Respekt zu verschaffen. Der Vater eröffne ihr einen Erfahrungsbereich, zu dem sie sonst kaum Zugang finden würde, zum “Phänomen der Männlichkeit”. Am starken Arm des Vaters würden Mädchen in eine Welt geführt, die so ganz anders ist als die durch Emotionalität geprägte Mutterdomäne und in der weit mehr auf Sachlichkeit gesetzt wird: “Das väterliche Vertrauen in ihre Fähigkeiten macht Mädchen stark. Ein Mann besitzt die Kraft, seine Tochter davon zu überzeugen, dass sie einen Teil von seiner Welt abbekommen kann.”
So belegten amerikanische Studien den Zusammenhang zwischen väterlicher Fürsorge und dem späteren beruflichen Erfolg von Managerinnen. Zudem forme sich am Papa-Modell nicht nur generell die weibliche Einstellung zu Männern, bevaterte Töchter würden auch in ihrer individuellen Partnerwahl beeinflusst, glaubt Angelika Faas. Das heißt, starke, sensible Väter animieren ihre Töchter, ihrerseits starke, sensible Männer zu wählen, in der Annahme, dass auch sie feinfühlige und selbstbewusste Väter werden. Eine Entwicklung, die der Primatologe Irven DeVore spöttisch als ein von Frauen betriebenes Zuchtexperiment deutet. Denn während die Männchen bei fast allen Säugetierarten den Weibchen die Aufzucht der Jungen überlassen, spielt der männliche Homo sapiens zunehmend eine gleichberechtigte Rolle in der Kindererziehung.
Was die Frage aufwirft, wo das alles einmal hinführt? Ins Matriarchat, wie manche befürchten, ganz sicher nicht, denn da wachten die Mütter über die Töchter. Hätten sich die Väter doch nur schon damals eingemischt!
Quelle: Die Welt