Wie wichtig ist das Sorgerecht für ledige Väter

Ein Interwiev mit Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke. Sie ist die Leiterin der Abteilung Entwicklungspsychologie an der Universität Mainz und seit 1986 Professorin.
Das Sorgerecht für Väter ist von besonderer Wichtigkeit. Viele Väter müssen bei Gerichten als Bittsteller auftreten, wenn sie das Sorgerecht für Ihre Kinder bekommen wollen. Selbst wenn die Mütter nachweislich nicht gut für die Entwicklung der Kinder sind, ist es nicht selbstverständlich, dass die Väter den Zugang zum Kind bekommen. Dagegen fordert kein Gericht von Müttern Beweise für Ihre Kompetenz – nur die Väter müssen belegen, dass Sie mit einem Kind gut umgehen können. Gerichte und Jugendämter gehen generell davon aus, dass die Mütter das Sorgerecht bekommen. Dabei gibt es auch Mütter, die alkohol-, drogenkrank oder neurotisch sind und dem Kind keine angemessenen Entwicklungsmöglichkeiten bieten können. Da sind Gerichte, aber auch Jugendämter, oft auf einem Auge blind. –

Die Mütter kriegen das Sorgerecht von deutschen Gerichten viel häufiger als Väter. Manchmal verhindern sie dann auch noch, dass die Väter ihre Kinder überhaupt sehen. Schaden sie damit der Entwicklung der Kinder?

Man muss sich die Daten genau ansehen. Je älter die Kinder werden, desto häufiger erhält der Vater das Sorgerecht. Und zwar deshalb, weil die Kinder sich ab dem Alter von neun Jahren wünschen können, zu wem sie möchten. Das zeigt: Die Kinder scheinen zu glauben, dass Ihnen ohne den Vater etwas fehlt. Sie würden gerne mit ihm zusammen leben.

Was fehlt Kindern ohne Vater?

Väter gehen mit ihnen anders um, schon von den ersten Lebensjahren an. Sie haben ganz anderen Körperkontakt. Sie werfen Babys durch die Luft. Später fordern sie Kinder beim Spielen und beim Sport körperlich heraus. Welche Mutter klettert schon mit ihren Kindern auf Bäume oder macht kilometerlange Fahrradausflüge, bis alle total schlapp sind? Dabei setzen Väter immer auch klare Grenzen. Das ist wichtig. Dazu kommt: Die Väter unterscheiden sehr stark danach, ob sie einen Sohn oder eine Tochter vor sich haben. Für die Mutter sind beides Kinder, das Geschlecht spielt keine so große Rolle.

Wie äußert sich das?

Väter sind behutsam mit Töchtern, mit Söhnen dagegen strenger, aggressiver. Außerdem fördern Väter Autonomie besser als Mütter. Sie trauen dem Nachwuchs mehr zu. Väter halten 12 Jahre alte Kinder für so selbstständig wie Mütter erst 16 Jahre alte, zeigen Studien. Väter überfordern Kinder, Mütter unterfordern sie. Die gemeinsame Erziehung führt zu einer ganz guten Balance.

Welches Kind wird glücklicher – das ohne Vater oder das ohne Mutter?

Der Verlust von Eltern ist immer ein ganz einschneidendes Erlebnis. Bei den Scheidungen sind es oft die Söhne, die die Folgen stärker zu tragen haben als die Töchter, die meist selbstständiger sind. Wer leidet, sind die Jungs. Gerade im Alter von neun bis 12 Jahren. Da findet man die Einbußen in der Schule, das aggressivere Verhalten oder den stärkeren Rückzug. Manche werden kriminell oder drogenabhängig. Einige internationale Studien zeigen, dass Söhne stärker leiden, wenn sie den Vater nicht regelmäßig sehen. Ihnen fehlt das männliche Rollenmodell.

Gibt es eine Phase, in der die Abwesenheit des Vaters ganz besonders fatal ist?

Mit dem Alter hat das eigentlich nichts zu tun. Selbst junge Erwachsene leiden noch ziemlich darunter, wenn Ihre Eltern sich trennen.

Wie können geschiedene Eltern das Schlimmste verhindern?

Sie müssen ihren Kindern in Ruhe erklären, dass sie gerne Eltern sind, dass sie aber als Paar nicht mehr zusammenbleiben und dass es sogar gut ist, wenn ein zerstrittenes Paar nicht mehr in derselben Wohnung ist. Die Erklärung, dass es nicht am Kind lag, ist ganz wichtig. Sonst denken manche Kinder, sie seien böse gewesen und an der Trennung schuld. Man muss offen sagen: Es gibt Dinge zwischen Erwachsenen, die kann man nicht mehr reparieren, trotzdem wollen wir gute Eltern bleiben. Ich arbeite auch als Psychotherapeutin. Da gab es gerade folgenden Fall: Die Mutter einer 14 Jahre alten Tochter hat einfach ihren Koffer gepackt und ist ausgezogen, in eine Wohnung in der nächsten Stadt – ohne große Erklärung. Für das Mädchen ist das eine irritierende Angelegenheit: Ist die Beziehung der Mutter nicht so wichtig, dass sie mit der Tochter zusammenbleiben will?

Häufiger ist es aber umgekehrt.

Das stimmt. Die Frauen verhindern oft das Zugangsrecht des Vaters, weil das Kind angeblich Bauchschmerzen hat oder gerade so viel für die Schule zu tun hat. Wir nennen das in der Psychologie “Maternal Gatekeeping”. Mütter gehen dagegen vor, dass der Vater das Kind sieht.

Weil sie den Vater als Gefahr sehen?

Zum Teil. Aber auch aus einer falsch verstandenen Mutterrolle heraus, weil sie denken, nur sie wüssten, wie man die Butterbrote schmiert und das Kind würde beim Vater nicht richtig versorgt. Väter machen es ja tatsächlich ein bisschen anders. Aber wer sagt denn, dass das schlechter wäre? Es ist vor allem eine merkwürdige Muttterideologie, die zu diesem Gatekeeping führt. Häufig handelt es sich um Frauen, die keinen Beruf haben oder ihn aufgegeben haben. Die schöpfen ihren gesamten Selbstwert aus der Mutterrolle. Wenn sie nun Angst haben, man nimmt ihnen das weg, kippt der Selbstwert komplett.

In Ihren Bestrebungen werden sie von den Institutionen unterstützt.

Leider ja. Von Jugendämtern, von Gutachtern, von Gerichten. Ich finde, das ist ein absolut konservativer Rollback. Ich habe kürzlich auf einem Vaterkongress wieder Fälle gehört – da fasst man sich an den Kopf. Ein Vater hat das Kind 12 Jahre lang aufgezogen, weil die Mutter 100 Kilometer entfernt arbeitete und nur am Wochenende nach Hause kam. Die Eltern ließen sich irgendwann scheiden. Aber die Mutter bekam das Sorgerecht. Nun muss der Vater mit ganz viel Mühe versuchen, es sich zurückzuerkämpfen. Der Junge wurde mit einem Mal ganz schlecht in der Schule und ist delinquent geworden. Absurderweise argumentieren Behörden dann: Das könne nur die Mutter auffangen – auch wenn die sich 12 Jahre lang nicht gekümmert hat. Es gibt viele solcher Fälle. Es sind natürlich oft Frauen, die Gutachten für Gerichte schreiben, wo gelegentlich auch Richterinnen sitzen.

Mit mehr Verständnis für das eigene Geschlecht.

Die sehen nicht immer ein, dass Väter das auch können. Und oft glauben sie eher den Müttern. Das absurdeste Beispiel ist der Missbrauchsvorwurf. Damit wollen manche den Mann endgültig ausschalten, wenn sie es anders nicht schaffen. Auf der Vätertagung habe ich fünf Väter kennen gelernt, alles Akademiker, darunter ein Jurist und ein Internist, die sich vor Gericht gegen solche Vorwürfe wehren mussten. Das kann derart rufschädigend sein. Bringen Sie da erst mal Gegenbeweise.

Ist das so schwer?

Man muss in solchen Fällen das Kind hören. Oft sehen die Gutachter aber vor allem Mutter und Kind, selten den Vater. Dabei zählt als Indikator für einen Missbrauch eigentlich nur die verbale Aussage des Kindes in einem geschützten Raum – verbunden mit einer medizinischen Untersuchung. Und nicht der Verdacht der Mutter, das Kind sei immer so verstört, wenn es vom Vater komme. Das ist ja logisch, wenn es jedes Mal die Zornesfalte im Gesicht der Mutter sieht. Manche Kinder machen sogar in die Hose, wenn ihr Papa sie zurückgebracht hat. Dadurch wird dieser Schmerz, die Zerreißprobe deutlich. Das muss überhaupt nicht auf Missbrauch hindeuten.

Wie verhält sich ein abwesender Vater am besten?

Er sollte das Kind mindestens alle 14 Tage sehen. Das gesteht das Gesetz den Vätern zu. Das Kinde muss merken: Der Vater will es sehen, aber irgendwie klappt das nicht. Denn nichts ist verletzender für das Kind als das Gefühl, ignoriert zu werden. Der Mutter sollten die Väter immer signalisieren: Ich nehme dir nichts weg, ich besetze andere Areale. Dann klappt es vielleicht doch mit der Einigung. Und wenn nicht, muss man der Mutter sagen: Denke daran, dass im Gesetz steht, dass das Kind ein Recht auf beide Eltern hat. Es ist nicht Dein Leibeigener!

Quelle: Stern.de

3 Kommentare zu „Wie wichtig ist das Sorgerecht für ledige Väter“

  • was ich suchte, danke

  • Liebe Dunja Voos
    Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich habe einiges über den Kinderarzt Remo Largo gelesen und stimme Ihnen voll und ganz über die “kindlichen Gefühle” der Eltern und die wichtige und einfühlsame Verarbeitung besonders in dramatischen und tragischen Trennungssznarien zu.
    Auch seine Entdeckungen zur Schulpädagogik sind für mich unumstösslich. Doch was ist davon für einen Wochenendvati, der seine Kinder nur selten sehen darf direkt realisierbar?
    Es geht doch schliesslich um das Wohl und die Entwicklung des Kindes.
    Was ist wenn die Mutter, wie so oft üblich, schon seit Jahren konsequent ihre totale Kommunikationssperre aufrecht erhält. Sie sich immer wieder kosequent über alle Maße die moderierte Kommunikation bei einem Mediator oder einem Sozialtherapeuthen z.B. bei der Erziehungsberatung abwehrt.
    Die blosse Existenz des Vaters ihres Kindes als unzumutbare Störung und Belastung empfindet. Die idealen und sehr erstrebenswerten Aufarbeitungen sind in der Praxis bei den üblichen Hochstrittigen Fällen überhaupt nicht anwendbar bzw. realisierbar.
    Sie brauchen zusätzlich auch noch Zeit.
    Zeit in der das gemeinsame Kind extrem leidet, weil die Mutter es immer wieder brutal und rücksichtslos Loyalitätskonflikten aussetzt, die dem Kind schaden ! Die heuzutage absolut gängige Form des täglichen psychischen Missbrauchs. Die Mutter schafft es dadurch sogar meistens, das das Kind bei ihr bleibt. – “PAS Syndrom sei dank!”

    Leider kann man heute immer noch niemenden zu seinem Glück zwingen.
    Ein Wochenendvater, der aktuell um sein Kind kämpft, steht hier allein und hilflos mit den Behörden, dem Jugendamt und dem Familiengericht. Es geht darum ganz eindeutig der Gesellschaft aufzuzeigen, dass jedes Kind ein Anrecht auf Mutter und Vater hat und das es in unserer Geselschaft noch viel Entwicklungsarbeit darüber gibt, das der Vater in manchen Fällen wirklich die bessere Mutter ist !
    Frau Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke zeigt hier nur zu gut die momentane Realität in der Rechtssprechung für Kinder auf !
    Es gibt leider viel zu viele Mütter, die sich selbst immer wieder auf Kosten des Kindes in ihrer Erziehungskompetenz disqualifizieren. Sie stimmen mir sicherlich bei, das es hierbei in aller Erster Linie um das Kind geht und dass es eine unbelastete Beziehung zu seinem Vater aufbauen kann, als die Mutter von ihren psychischen Problemen zu heilen.
    Denn ein Kind, das sich noch nicht selbst entscheiden kann, sollte dort seinen Lebensmittelpunkt haben, wo es die meiste Kompetenz und Bindungstoleranz zu beiden Eltern erfahren kann.

    Mit lieben Grüßen,

    Andreas Preuß

  • Um den Vätern und Müttern wirklich zu helfen, ist es wichtig, nicht weiter die Feindbilder aufzubauen, sondern zu versuchen, beide Seiten wirklich zu verstehen. Jugendamtsmitarbeiter, Anwälte und andere “Experten”, wie z. B. hier Inge Seiffge-Krenke, verhärten die Fronten doch nur. Es nutzt nur wenig, an die “erwachsenen Seiten” der Eltern zu appellieren oder über das “Wohl des Kindes” zu sprechen, wenn die Situation für beide Elternteile gerade besonders dramatisch oder tragisch ist. Da geht es doch gerade um “kindliche” Gefühle bei den Eltern, um eigene, alte Verletzungen und um eigene tragische Vergangenheiten. Brücken schlagen können da nur einfühlsame Interviewpartner wie zum Beispiel der Kinderarzt Remo Largo, die Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello (Familien-Bande, Sternstunde Philosophie, Schweizer Fernsehen) oder (psychoanalytisch orientierte) Mediatoren.
    Dunja Voos

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